Wie ich ein Etwas mit gespitzten Ohren werde und wie Kofferworte que(e)r in der Landschaft stehen

Wie ich ein Etwas mit gespitzten Ohren werde und wie Kofferworte que(e)r in der Landschaft stehen

Dorothea Rust

publiziert in FKW // Zeitschrift für Geschlechterforschung und visuelle Kultur, Nr. 67 (2020): Feministische Strategien in der Performance Kunst: Disobedient Bodies, Hrsg. Sigrid Adorf und Sabine Gebhardt Fink

Abstract

Wie ich ein Etwas mit gespitzten Ohren werde und wie Kofferworte que(e)r in der Landschaft stehen

Ich befasse mich in meiner künstlerischen Praxis seit längerer Zeit mit dem Esel. Die Geschichte beginnt 2015: Ich lege mich neben einen toten, vollständig behaarten Esel in der Atacama-Wüste (Chile), der trockensten Wüste der Welt. Ein Foto wird gemacht, eine erste Bildarbeit und eine Performance entstehen.

In meinem Beitrag beschäftige ich mich mittels eines Textes von Hélène Cixous, betitelt «Gespräch mit dem Esel. Blind schreiben» mit meiner eigenen künstlerischen Performance\Art-Praxis. Denn Cixous’ Sätze fungieren für mich als Vektoren, an denen Gedanken über meine Bild- und Performance-Serie «L’animoteur 1 bis 7», zwischen 2015 und 2018 realisiert, ausgerichtet werden können. Ihre Sätze dehne ich und vermische sie mit eigenen Gedankengängen, um zu ver-dichteten und zu überraschenden Einsichten zu kommen. Ich möchte der Frage nachgehen, wie (meine) Performance- und Bild-Arbeiten in Räume eingreifend, bestehende Situationen aufrütteln können. 

Cixous schreibt körperlich, performativ und fällt sozusagen ins Schreiben hinein, ich möchte mit ihren Überlegungen in meine Performances hineinfallen. Meinen Text umgibt Bildmaterial der Performance L’animoteur_7 — mujeres Y burros Y plantas Y arboles Y plastico Y pimenton Y cactus Y vocabulario Y terminos Y lenguaje Y palabras Y non-tango Y esta lana se llama lana de llama, realisiert 2018 im Garten von PROA21, einem Ausstellungsraum in Buenos Aires. Die Arbeit habe ich nach einer Reise im Norden von Argentinien entwickelt.

Der Esel in Cixous’ Essay ist keine Metapher. Ebenso verstehe ich auch meine Bild- und Performancearbeiten von «L’animoteur» nicht als Esels-Metaphern. Der Esel steht nicht für Etwas, der Esel ist das Etwas. Der Esel durchdringt den Text bei Cixous als Verbindung von Widerstand und Schreiben. Die bildliche Störrigkeit des Esels ist Überlebensstrategie kann als Widerständigkeit und Qualität der Nachhaltigkeit, also als ein Wert in unserer global ökonomisierten Welt gesehen werden. Mein Text will nicht nur die Performance beschreiben, er will selbst sich in Richtung Performance\Art weiterschreiben oder transformieren oder bewegen?. Im Garten von PROA21 habe ich mich durch Sprache und körperlich-somatische Präsenz durch das Widerständige, Queere von Menschen, Tieren und Gewächsen „hindurchbewegt“. Oder wäre der Satz evtl. so lesbarer: Durch Sprache und körperlich-somatische Präsenz habe ich mich im Garten von PROA21 durch das Widerständige, Queere von Menschen, Tieren und Gewächsen ‚hindurchbewegt‘.

Ausgehend von der Analyse dieser Kofferworte, reflektiere ich meine Haltung als ‚queer’ (müsste das nicht kleingeschrieben werden?), die que(e)r ihr performatives Gewicht, ihre Virtualität und Potentialität zum Anderssein entfalten kann. Wenn Begriffe wie Gender und Queer in der performativen Situation aufgerufen werden füge ich ihnen einen queer-feministischen ‚twist’ bei. Diese Praxis verstehe ich als aktive Haltung, die bei den Betrachtenden ein Sensorium für soziale, ökologische und politische Belange entwickeln soll. Die Auswirkungen von Marginalisierung von Menschen und Wesenseinheiten jeglicher Herkunft und Geschlechterverhältnisse ist das grosse politische Problem unserer Zeit. ...

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