Unter Stühlen durch am Symposium «Performance Process – From Life to Legacies: Exploring Performance Art»

Unter Stühlen durch am Symposium «Performance Process – From Life to Legacies: Exploring Performance Art»

von Dorothea Rust

publiziert in APRESPERF — Plattform für Texte zu Performances | Text 2018

Dorothea Rust beschreibt ein Ereignis anlässlich des Symposiums 'Performance Process — From Life to Legacies: Exploring Performance Art' am Freitag 26.01.2018 im Konferenz-Raum des Museum Tinguely in Basel.

Wir sitzen im grossen Konferenz-Raum des Tinguely-Museums aufgereiht auf Stühlen. Viele Zuhörer_ und Zuschauer_innen folgen dem ersten Input am ersten Konferenz-Tag von Madeleine Amsler. Sie legt die Schweizer Performancegeschichte vor uns aus. Ihre Tour d’Horizon nimmt Bewegungen und Namen von einzelnen Künstler_innen und Gruppen mit auf eine Reise, die auch gesellschaftspolitische Entwicklungen streift und etwelche erwähnt , die nicht in der Ausstellung «Performance Process» im Tinguely-Museum vertreten sind. Die Ausstellung wird damit nicht nur ergänzt, die Gedanken- und Bilder-Tour ist auch Anrufung zu durch die Zeiten vernetztem Kanonisieren und Öffnen in aktuelle (lokale) Kontexte. Madeleine’s Ausführungen wiederum erfahren mit der Aktion der von PANCH-Akteur_innen (mehrere von ihnen sind Mitglieder von PANCH Performance Art Network CH) ein bewegtes ‚Framing’.
Obwohl ich über die Aktion vorab Bescheid weiss, werde ich dann doch überrascht:  Während ich konzentriert zuhöre und andere rundum ziemlich sicher auch, ergreift plötzlich subtile Erregung die Zuschauer_innen-Reihen. Etwas geschieht, das ich beim Herumschauen im Saal nicht sehe, bis unter meinem Stuhl ganz nahe am Boden ein Kopf zwischen den Stuhlschenkeln auftaucht; zuerst nur Kopf, drängt und ruckelt ein ganzer Körper unten durch nach vorne und peilt den nächsten Stuhl und seine ‚Besetzerin’ an. Andere drängen sich unter den Stühlen und Stuhlreihen durch und nach vorne, bedächtig zielstrebig, eine mittlere Invasion ist das.
Unterwegs lassen sie Zettelröllchen liegen, ich nehme welche auf und lese. Ausser dem Wort Performance erinnere ich mich an keine Sätze, doch da gab es Sätze. Vorne angekommen mündet ihr entschlossenes Vorwärtsbewegen nun in ‚aufrechter’ Zurückhaltung, vor uns, die wir auf den Stühlen sitzen. Da stehen die, die gerade noch unten durchgekrochen sind, vor den für die nachfolgende Diskussionsrunde bereitstehenden schwarzen (Leder-) Sesseln vor der Leinwandprojektion, auf der sich Madeleine’s Bilder-Loop abwickelt. Einzeln oder zu zweit, kurzweilig auch zu mehrt, stehen sie da und schauen in Richtung Zuhörer_ und Zuschauer_innen. Das ist keine Demonstration, eher stumme Manifestation, in der jede und jeder kurz und gerade so, wie sie_er dasteht Präsenz markiert. Was sie damit hervorrufen ist so individuell, wie jede_r von ihnen gekleidet ist.
Im Gespräch nach Madeleine’s Input ist zu hören, dass viele meinen das Symposium, sprich Tinguely-Museum, hätte diese Aktion organisierte. Spielt das eine Rolle?

Text in der Dokumentation zur Performance

«Performance SUB» — Eine Performance-Aktion in den Lücken der Ausstellung 'Performance Process' im Museum Tinguely