
Tanzperformance in der Schweiz – Solotanz und Performance (Kunst) überkreuzt
von Dorothea Rust
publiziert in «Floating Gaps, Performance Chronik Basel (1968–1986)», Hg. Sabine Gebhart Fink, Muda Mathis, Margarit von Büren, diaphanes, Zürich 2011, ISBN 978-3-03734-172-8, S. 209–219
Buchinformation
Wie lässt sich Performance-Kunst in Erinnerung halten? Und wie lässt sich Performance-Kunst angemessen vermitteln? Die Performance Chronik Basel mit dem Titel „Floating Gaps“ dokumentiert performative Arbeiten über bisher weitgehend unpublizierte Fotografien, zahlreiche ZeitzeugInnen-Interviews und Videostills, vor dem einsetzenden „Floating Gap“ - der kollektiven Erinnerungslücke. In einem eng abgesteckten und exemplarischen Feld werden so Informationen über beispielhafte performative Praktiken von 1968 bis zur Mitte der 1980er Jahre aufbereitet und reflektiert.
Mit Textbeiträgen von Sigrid Adorf, Sabine Gebhardt Fink, Ruth Lang, Muda Mathis, Dorothea Rust, Sigrid Schade und Silke Wenk, Anna Schürch und Margarit von Büren. Interviews mit Jean-Christophe Ammann, den „Damengöttinnen“ (Monika Dillier und Lisa Stärkle), Jochen Gerz, Edu Haubensak, Valerian Maly, Reinhard Manz, Franz Mäder, Wolf D. Prix (Coop Himmelblau), René Pulver, Alex Silber und Gilli & Diego Stampa.
Textbeitrag Dorothea Rust:
«Tanzperformance in der Schweiz. Solotanz und Performance (Kunst) überkreuzt»
(Der Text entstand 2009)
Solotanz und Performance (Kunst) überkreuzt
Das Auftauchen des Begriffs Tanzperformance markiert zugleich einen Aufbruch im Tanz in den 80er Jahren in der Schweiz: Eine lebendige freie Tanzszene entwickelt sich, es werden vermehrt Subventionen für deren Aktivitäten freigesetzt. Diese Entwicklung findet im Sog von Forderungen nach kulturellen Freiräumen statt, die teilweise gewaltsam erfochten wurden (Jugendunruhen in Zürich, Bern, Basel und Lausanne in den 80er Jahren). Waren der postmoderne Tanz und die Performance Kunst in Nordamerika und Europa in den 60er und 70er Jahren die künstlerisch wegweisenden Medien, so ist es im Europa der 80er und 90er Jahre der Tanz.
Die Herausbildung eines heterogenen Begriffs
Der Begriff Tanzperformance wird mit dem Auszug der TänzerInnen aus dem Bühnenraum hinein in den Raum des Museums, der Kunsthallen (Christine Brodbecks Aufführung in der Kunsthalle in den frühen 80er Jahren) und auf die Strasse (Strassen-Tanz-Aktionen z.B. von Geneviève Fallet) aktuell. Tanzperformance entsteht auf der Demarkationslinie zwischen Solo-Tanz, der in Kunsträumen situiert ist, und Tanztheater mit seinen hierarchisch strukturierten Tanz-Kompanien, das auf Theater-Bühnen stattfindet. ...