
Ausgerenkte Kräfte neu zusammengesetzt
Dorothea Rust
wird publiziert in APRESPERF — Plattform für Texte zu Performances
Dorothea Rust schreibt nach der Peformance «Ausgerenkte Kräfte – Forces Disloquées» des GingerEnsembles mit Cyrill Lim, Valerian Maly, Klara Schilliger, Lara Stanic und Gast Peter Streiff und Technikerin Lisa Mark, am 30. Oktober, 19 Uhr im Kunstraum Walcheturm Zürich, mit einer Einführung von Valerian Maly
Ausgerenkte Kräfte neu zusammengesetzt
Wo bin ich gewesen, an diesem 30. Oktober? Was hat stattgefunden? Wer hat gesprochen? Die Klänge, die Kompositionen, die Technik, das Instrumentarium, der Raum, die Performenden und die Anwesenden mit ihren Körpern? Alle zusammen?
In der Erinnerung vergegenwärtigt sich der Kunstraum Walcheturm als silber-getünchtes Aquarium; im Scheinwerferlicht werden der graue Boden und die gläsern leuchtenden, metallisch glänzenden und dunkel funkelnden Sound-Utensilien reflektiert.
Während der Konzert-Performance schreibe ich auf das Programmblatt. Wörter und Satzfragmente ‘liegen’ schief auf dem Papier. Ihr Gekritzel muss ich zurückentziffern, das Gesehenen und Gehörte erst im Abstand zu diesem Abend versuchen mit Worten zu erhaschen und anzufassen, um in Nachklang etwas Neues zu erfahren, das ich so damals, ins Konzert eingetaucht nicht hätte erfassen können. Um mit Olga Tokarczuk zu sprechen: «Die Erfahrung, nicht das Ereignis, ist es, was unser Leben ausmacht.»*1 Die Erfahrung performt nun im Nachhinein erneu(er)t. Mittendrin sitze ich, in der Konzert- Performance, auf einem Stuhl der Stühle, die wie Häppchen angeordnet, ja genau gesetzt sind, ebenso wie die Stationen der Performenden, mit Noten-Pulten, von wo jede Komposition gesteuert wird. Denn die Performenden haben je ihre eigenen Kompositionen oder eine Umsetzung mitgebracht. Exzentrisch ist dieses Konzert-Erfahrung. Körperliche Schwerkraft und Befindlichkeit ziehen mich jetzt während dem Schreiben zentrifugal in mehreren Schweifen in zwei klare Ströme, die in entgegensetzten Richtungen wirken, und wie im gekrümmten (Welt-)Raum wieder wo zusammen kommen, leicht verschoben sich zu einem poetischen Klangereignis-Bogen vereinen.
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