Querlesen, Gemeinschaftliches und Choreografien des Politischen

Querlesen, Gemeinschaftliches und Choreografien des Politischen

Sabine Gebhardt Fink

publiziert in Löwendenkmal 21 — Das Löwendenkmal Luzern im Fokus akuteller Kunst, Kunsthalle Luzern, Scheidegger & Spiess 2021/22

Querlesen, Gemeinschaftliches und Choreografien des Politischen
Das Denkmal und sein performativen Stretegien im 21. Jahrhundert

Essay von Sabine Gebhardt Fink

Seit den 1990er-Jahren werden kritische Debatten rund um den Status historischer Denkmäler virulent1 – besonders im Zeichen einer dekolonialisierenden Praxis und dem Bestreben nach inkludiernder Erinnerungskultur (Sternfeld 2018). Dazu etablieren verschiedene Künsterl*innen performative Strategieen, sei es in der Form von live acts, sei es als digitale Interventionen, welche die Monumente und ihre Ideologien2 auf unterschiedliche Art und Weise kommentieren. Besonders interessant für diesen kurzen Essay sind Bruchstellen in der Tradierung, also all dasjenige, was nicht weitergeschrieben oder was umgeschrieben wird. Im Kern dieser Bruchstelle steht jeweils eine performative Aussage: «énoncé» wie Michel Foucault sie in «Archäologie des Wissens» nennt.3
Ich möchte hier drei verschiedene «énoncés» anhand von künstlerischen Arbeiten exemplarisch erläutern, die zentral für dieses neue Verständnis eines kommentiereten und kommentierenden Denkmals4 sind. Ich fasse diese Verschiebungen des Tradierten unter den folgenden drei Begriffen zusammen: das Querlesen, das Gemeinschaftliche und das Choreografieren des Denkmals in einem gesellschaftlichen Sinne.
Genau diese Formen des Umschreibens und Neuschreibens waren Anliegen der performativen interventionen, die im Rahmen des Projekts L21 stattgefunden haben (Abb. A und Abb. B). Die foldenden Bildstrecke gibt einen Einblick in die unterschiedlichen Arbeitsweisen und Formate. Exemplarisch ist etwas die Arbeit von Brigitt Bürgi, die partizipativ mit dem Publikum gearbeitet hat (Abb. C)
Ich komme nun zu dem Thema Querlesen und der Performance «Letten Venus» von Dorothea Rust5 aus dem Jahr 2017 (Abb. D und Abb. E). Sie ist ein gute Beispiel dafür, wie ein Denkmal des 20. Jahrhundert durch eine performaitve Intervention werden kann. Dorothea Rust konterkariert in dieser Arbeit tradierte Rollen- und Geschlechterbilder in Form von Vernus-Stereotypen. Ausgehend von einer Venus-Skulptur (von Hans Aeschbacher, 1955) inb der Badi Letten in Zürich ...

ganzer Text (in Publikationsausschnitt mit Inhaltsverzeichnis und Vorwort)