Ausgesetzt-Sein in Kunst. Performancekunst und 'new ontologies'

Ausgesetzt-Sein in Kunst. Performancekunst und 'new ontologies'

Bernadett Settele

publiziert in 'What Can Art Do?', ein Forschungsprojekt unterstützt durch den Schweizerischen Nationalfond (01.02.2015 - 31.01.2018) und in «What can art do?», diaphanes Zürich 2020

Jede Performance setzt den Körper den Blicken aus, seien es die Blicke der Anwesenden oder der Betrachtenden, seien sie live oder medial. Viele Performances setzen den Körper des oder der Performenden physischen Kräften oder psychischen Einflüssen aus, die Arbeiten der Body Art funktionieren sogar über Gewalt und Verletzung. Was mich interessiert, ist jedoch die Art des einander Ausgesetzt-Seins, die mit Gemeinschaft zu tun hat und sich in Performance verdichtet zeigen kann.1

Theoretisch hinterlegt sind diese Betrachtungen von der begrifflichen Wolke um Vulnerabilität, Gefährdung und Prekarität, die als »new ontology« bezeichnet wurde und mit dem Namen Judith Butler verbunden ist, sowie mit Jean-Luc Nancys »pluraler Ontologie« und seiner Thematisierung des Ausgesetzt-Seins und des ›Mit‹. Butler entwickelt und politisiert in Begriffen der new ontology das Zusammenspiel verschiedener Facetten: dazu gehören körperliche, psychische und soziale Momente, sowie sinnliche und mit Deutungen, Bewertung und Sinngebung verknüpfte Momente, die das ›gendered life‹ ausmachen. »Körper sein heißt […], gesellschaftlichen Gestaltungskräften und Formierungen ausgesetzt zu sein, weshalb die Ontologie des Körpers immer schon soziale Ontologie ist«, steht in Raster des Krieges.2 Die »undisziplinierte Transdisziplinarität« dieser Theoreme, mit den Worten von Paula-Irene Villa gesagt, wird in diesem Artikel um eine Ebene erweitert, die zumindest Butler nicht allzu sehr bedenkt: die ästhetische Dimension.3 Im Rückgriff auf die Begriffe neuer kritischer Ontologien von Butler und Nancy thematisiere ich Performancekunst als Situation des Einbezogenseins in ein gemeinsames Tun und als Ausgesetzt-Sein an die anderen, das einzelne Subjekte darin erfahren. Performance, die mit Körperlichkeit verbundene Kunst, schafft mit ihren Mitteln spezifische, kollektive ästhetische Situationen. Ich beleuchte an der Performance Floating Gaps von Dorothea Rust (2012), an der ich als Betrachterin* teilgenommen habe, verschiedene Arten von Bezüglichkeit und Bedingtheit.

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