L'animoteur 14 — donkey stor(i)es

Inter­vention und Ritual für (nicht nur) stigma­ti­sierte Esel, mit einem Song für alle, die da sind, vorbei­kommen und mitsingen wollen, im öffent­lichen Raum in Płocku Poland

* aus dem Skript*

Hintergrundinformation zur Serie «L'animoteur 1 bis 12»

Die Performance-Serie geht zurück auf eine Bildszene, die ich 2012 in der ATACAMA Wüste, der trockensten Wüste auf der Erde, realisiert habe. Sie zeigt einen toten Tierkörper (Esel) in Seitenlage und einen menschlichen Körper in Bauchlage, den Kopf dem Kopf des Tieres zugewendet. Daraus entstanden die kinetischen Bildobjekte «L’animoteur 1», «L’animoteur 4», «L’animoteur 12»: Das Bild dreht sich um die eigene Mieelachse, entweder von Hand oder mit einem Motor angetrieben, die Konturen verschwimmen zu einem flirrenden Etwas.

2015 in der erste Performance «L’animoteur 2», in einem Ausstellungsraum, erzählte ich vom Esel, von seinen körperlichen Eigenschaften, von seinem kulturellen Status (landläufig gilt er als störrisch), als auch vor allem von seinen verdeckten Qualitäten. Eine anwesende Radio-Journalistin wurde inspiriert, weltweit Geschichten und Beziehungen zum Esel nachzugehen. Daraus entstand die 6-stündige Hörpunkt Sendung «Der älteste Kleintransporter der Welt (The oldest van in the world)», für das SFR2 (Schweizer Radio 2), was mich wiederum zu weiteren Recherchen angeregte. Die Performance «L’animoteur 3» entwickelte ich für das ‘Internationale Performance Art Festival KIPAF’ in Indien.

«L’animoteur 5 + 6» fand 2018 an einem Kunstanlass in Plovdiv, Bulgarien als Intervention in einem historischen Ausstellungsraum und in einer Einkaufsstrasse in Plovdiv statt, ihre Weiterentwicklung mit «L’animoteur 8 + 9» 2019 ebenfalls in Plovdiv.

Halbwilde, lebenden Esel und Menschen, die mir von ihrer Beziehung zu diesen Eseln erzählten, traf ich 2018 im Norden von Argentinien, in den Anden, zwischen 2'500 und 4'000 m. Daraus entstand die Performance «L’animoteur 7» in Buenos Aires, performt im Garten eines Kunstraumes. 2018 fanden die Performances «L’animoteur 10 + 11» in Bad Dürkheim in einer Einrichtung für Menschen mit Einschränkungen statt und in Heidelberg in der Sammlung Prinzhorn (Klinik für Allgemeine Psychiatrie), im Rahmen eines interdisziplinären Ausstellungsprojekt zu ‘Outsider Art’.

Inzwischen konnte ich erfahren, dass ich ‘mit dem Esel' mit Menschen unterschiedlicher Szenen in Kontakt kommen kann. Sie können Geschichten von Begegnungen mit Eseln erzählen oder von ihren Bewertungen und Vorstellungen zum Esel. Ich wende mich weiterhin dem Esel und seiner Wert-Bedeutung für Gesellschaften in unserer Zeit zu. Ich sehe sie als Kompass für Gesellschaften, denn Esel geraten heute sehr stark unter Druck, z. B. wird Elixir aus ihrer Haut für die Kosmetik- und Medizin-Industrie gewonnen.

Performance Intervention im öffentlichen Raum, vor dem Muzeum Mazowieckie w Płocku

Das Skript basiert auf der Lecture Performance von «L'animoteur 13 - was bisher geschehen ist», die ich 2023 für die «Spot On. Fachtagung zur Kunstpraxis in der Lehrer:innenbildung» in Dresden realisiert habe.
Bei der Performance in Płocku habe ich auf Englisch gesprochen. Alle Texttafeln wurden ins Polnische übersetzt (www.deepl.ch) und waren während der Performance in einem Rund ausgelegt, die Zuschauer:innen konnten die Texte (nach-)lesen, wenn sie sie auf Englisch nicht verstanden.

Choreographie Skript   ...   Text Skript Englisch   ...   Text Skript Polnish

Bericht von Dorothea Schürch

Performance-Intervention in Plocku «L’animoteur 14 – donkey stor(i)es»

Dorothea Rusts Mashup aus Lecture, Workshop und Performance findet in einem ausgelassenen Karaoke Chor sein vorläufiges Ende. Donkies aller Länder vereinigt euch: „we are the champions“. Das Publikum ist verzaubert, alle singen mit, in der Fussgängerzone von Plock bleibt die Zeit für einen Moment stehen.

Zu diesem Zeitpunkt war allen im Publikum klar, warum jede Form von Esel-Wissen von grösster Bedeutung ist: von Herden ohne Anführer, vom Störrischsein als Stigma und der Möglichkeit eines Stigma-Reversals als performatives Coming-out, von der Nobless des „willing to serve with reserve“ bis zur Regungslosigkeit als Versteck, denn was sich bewegt, gibt sich als Beute zu erkennen. Dorothea Rusts Esel-Universum entsteht als Parallelwelt zum Performance-Kosmos. Esel-Wissen ist Performance-Wissen. Zu jedem Kapitel der mehrteiligen Lecture, von denen leider nicht alle aufgeschlagen werden konnten, so umfangreich sind sie, kamen workshopartige Anleitungen hinzu. Esel-Praktiken, die erprobt werden wollten. Das „I-Ahh“ wurde in allen Sprachen durchexerziert und inhalierendes Sprechen geübt. Dorotheas Kostüm zeigt Anzeichen ihrer Transformation zum Grautier. Die Tattoo-artig gestreiften Beine sind nach dem Vorbild der somalischen Esel gemalt, nicht zu dick aufgetragen, aber doch deutliche Zeichen des Embodiments ihres Esel-Performance-Wissens, das sie ausgezeichnet versteht weiterzugeben, besser gesagt zu übertragen. Das ist ihre Mission ¬¬– very much accomplished!